Fa. Magna - Beitritt Arbeitgeberverband
Assamstadt
An diesem Dienstagmittag herrscht während der Mittagspause der Magna-Mitarbeiter eine merkwürdige Stimmung. Ein paar rennen mit Tüten voller Trillerpfeifen umher, andere wiederum verteilen rote Basecaps. Fast alle tragen
ein T-Shirt auf dem deutlich zu lesen steht: "Tarifvertrag statt Nasenprämie". Und immer wieder schauen die Menschen der Firma Magna Spiegelsysteme hinüber zum grauen Bürogebäude.
Hinter verschlossenen Fenstern wird gerade über die Zukunft der rund 700 Magna-Mitarbeiter entschieden. Es ist bereits die dritte Runde in der Auseinandersetzung. Zur Verhandlungskommission zählen an diesem Tag neben der
Geschäftsführung, der Personalleitung und Anwälten der Firma auch Rolf Blättner vom Arbeitgeberverband Südwestmetall, die Betriebsratsvorsitzende Sabine Maurer sowie der Erste Bevollmächtigte der IG Metall
Tauberbischofsheim Gerd Koch. Erste Gerüchte machen die Runde. "Ich bin mal gespannt, was da raus kommt", ist der wohl am meisten benutzte Satz in dieser Zeit. Noch steht alles auf der Kippe: kommt es zu keiner Einigung in Sachen
Beitritt zum Tarifverbund, steht die Belegschaft an diesem Tag sofort für einen Warnstreik parat.
Gegen 13.30 Uhr wird die Verhandlung unterbrochen. Es ist Gerd Koch, der gemeinsam mit Sabine Maurer vor das Mikrofon tritt. Währenddessen wird ein Fenster der Verhandlungsräume geöffnet. Jemand filmt mit einem Handy die
Menschenmenge. Auf dem Hof haben sich inzwischen rund 200 Mitarbeiter versammelt, die mit einem zünftigen Pfeif- und Trommelkonzert versuchen, ihrer Stimme Gewicht zu verleihen. "Habt noch ein wenig Geduld. Wir sind auf einem
guten Weg", sagt Gerd Koch. In seiner ganz kurzen Ansprache erinnert er an die machtvolle Demonstration im Mai diesen Jahres in Assamstadt, zu der sich über tausend Metaller mit der Magna-Belegschaft solidarisch erklärt hatten.
"Diese Aktion zeigt jetzt Wirkung", ruft Koch in die Menge, die mit Pfiffen und Trommelschlägen antwortet. Die anwesende Geschäftsleitung müsse sich mit der Konzernleitung in Kanada abstimmen, erklärt er das weitere
Vorgehen und motiviert die Anwesenden zu bleiben. Damit ist klar, es wird keinen Warnstreik geben. Jetzt heißt es weiter warten, während die Produktion still steht.
Noch fast eine Stunde müssen sich alle Versammelten gedulden. Kaum jemand hat inzwischen den Ort des Geschehens verlassen. Immer wieder versuchen die Magna-Mitarbeiter mit lautstarken Trommel- und Pfeifeinlagen der Verhandlung Beine
zu machen. Dann ist es endlich soweit. Um 14.30 Uhr treten die Verhandlungsteilnehmer vor die Menge. "Es ist geschafft. Die Firma Magna wird am 1. Januar 2017 dem Arbeitgeberverband Südwestmetall beitreten", tosender
Lärm bricht aus, als Gerd Koch das Ergebnis verkündet. Für die Magna-Mitarbeiter bedeutet dies, eine Einmalzahlung von 150 Euro noch in diesem Monat, 2,8 Prozent mehr Lohn ab Oktober, zwei Prozent mehr Lohn ab August 2017.
Dazu kommen zahlreiche Übergangsregelungen, beispielsweise in Sachen Altersteilzeit oder Entgelt bis ein entsprechendes Tarifniveau erreicht ist. Wie diese Übergangsregelungen aussehen, muss bis zum Eintritt in den
Arbeitgeberverband im Januar 2017 festgelegt sein.
"Sie verstehen jetzt sicher, dass es der Geschäftsleitung ernst ist, dem Tarifverband beizutreten. Aber wir glauben auch, dass sie jetzt verstehen, wie schwierig dieser Schritt für das Werk in Assamstadt ist. Umso wichtiger ist
es, diesen Schritt wertzuschätzen", sagt Geschäftsführer David Crespy. Er fordert die Belegschaft auf, dass man in Zukunft gemeinsam Wege geht, um das operative und finanzielle Geschäft erfolgreicher gestalten
zu können.
"Wir haben es geschafft. Wir haben einen Tarifvertrag", ruft Sabine Maurer in die Menge. Und sie verspricht, dass man den Standort gemeinsam auf sichere Füße stellen will, sodass alle in Zukunft einen sicheren Arbeitsplatz
haben. Mit Applaus und Trommelwirbel bedanken sich die versammelten Magna-Mitarbeiter. Die Freude steht ihnen dabei ins Gesicht geschrieben.
Und während sich die Menge im Anschluss zerstreut, treten einige an Koch und Maurer heran, wollen schon Detailfragen klären.
Andere wiederum machen sich voller Freude mit einem Hupkonzert vorbei am Bürogebäude auf den Heimweg.
Letzte Änderung: 25.07.2016