Delegiertenversammlung

IG Metall Tauberbischofsheim

15.12.2010 Metaller sind sauer über "Arroganz der Macht", Widerstand gegen soziale Schieflage geht weiter, Beteiligung am Aufschwung durch Vorziehen der Tariferhöhung 2011 gefordert

Krise gut bewältigt

Zur letzten Delegiertenversammlung des Jahres hatte die IG Metall Tauberbischhofsheim ihre Vertreter aus den metall- und holzverarbeitenden Betrieben des Main-Tauber und Neckar-Odenwald-Kreises ins katholische Gemeindehaus Tauberbischofsheim geladen. Ausgehend von einer Bilanz über die sozialpolitischen Herbstaktionen und der aktuellen wirtschaftlichen Situation in den Betreuungsbetrieben standen künftige Arbeitsfelder in 2011 zur Diskussion. Der 2. Bevollmächtigte Lothar Harlacher begrüßte dazu unter zahlreichen Gästen den Vertreter der Stuttgarter Bezirksleitung Joseph Bechtel sowie den Vertreter des DGBs Bernhard Löffler.

Gerd Koch, 1. Bevollmächtigter der IG Metall Tauberbischofsheim umriss nach seinem internen Rechenschaftsbericht die derzeitige ökonomische Entwicklung in den Unternehmen unseres Raumes neben den wirtschaftlichen, politischen und sozialen Rahmenbedingungen. In den meisten Betriebe hätte die Produktion in 2010 rasch wieder angezogen, vielfach sei das Vorkrisenniveau von 2007 bereits erreicht. Er stellte fest: Es sei gelungen, die tiefste Krise der Nachkriegszeit in Deutschland ohne Massenentlassungen und Massenarbeitslosigkeit zu überstehen. "Aber nur durch den Beitrag der Belegschaften - betriebliche Zugeständnisse und Einbußen über monatelange Kurzarbeit sind nicht vergessen - ist die Existenz Tausender von Unternehmen und Hunderttausender von Arbeitsplätzen gesichert worden. Die Arbeit der Betriebsräte und unsere tarifvertraglichen Vereinbarungen waren unverzichtbare Elemente der Krisenbewältigung. Wir haben damit die industrielle Substanz unseres Landes erhalten und damit erst die Voraussetzung für den rasanten Aufschwung geschaffen." so der Geschäftsführer. Steigende Umsatzzahlen und z.T. explodierende Gewinnerwartungen basierten dabei auf der weit verbreiteten betriebswirtschaftlichen Strategie, unter der Vorgabe, die "Fixkosten" auf Krisenniveau zu halten um die Renditeziele schnell wieder zu erreichen und weiter hoch zu schrauben. Die Personalsituation sei trotz oft beklagtem Fachkräftemangel eher durch kurzfristiges Reagieren statt nachhaltiger Ausbildungs- und Personalpolitik geprägt. Im Gegenteil sei die Zahl der Ausbildungsplätze in der badenwürttembergischen Metall- und Elektroindustrie in diesem Jahr um weitere 11% zusammengeschmolzen worden. Von einer unbefristeten Übernahme könne derzeit nur jeder 4. Auslernende träumen, oft nicht einmal mehr zu den betriebsüblichen Standards, resümierte Koch. Dass dies kein einzelbetriebliches Problem sei, untermauerte er mit den jüngsten Umfrageergebnissen der IG Metall unter jungen Beschäftigten. Danach sei der Anteil der Arbeiter und Angestellten unter 34 Jahren in prekären Beschäftigungsverhältnissen (befristet beschäftigt, in Leih/Zeitarbeit, in Praktika oder ABM-Maßnahmen u.ä.) auf mittlerweile 30 % aller jungen Metallarbeitnehmer gestiegen. In der Altersgruppe der 20-24 jährigen sei die Anzahl in einem Jahr gar von 45 auf sage und schreibe 54 % hochgeschnellt! Dazu arbeite schon jetzt jeder 5. Arbeitnehmer im Niedriglohnsektor unter 8,50 Euro - Tendenz steigend. Modernes Tagelöhnertum sei für die Gewerkschaften nicht hinnehmbar, weder in ihrer Bedeutung für die Betroffenen noch in Hinsicht auf die Auswirkung der Billiglöhne auf die Sozialversicherungen. Mit diesen Ausführungen "rannte Koch bei den Funktionsträgern offene Türen ein". Viele Praktiker aus den Betrieben, die gestern noch um Arbeitsplatzerhalt stritten, berichteten heute vom massiven Druck auf die Belegschaften nach Ausweitung der Arbeitszeiten, von ausufernder Mehrarbeit, überfließenden Arbeitszeitkonten oder Ausweitung von Schichtmodellen, von Leistungsverdichtung und Leiharbeit statt fester Neueinstellung. Gründe genug für die Delegierten dem Stuttgarter Bezirkssekretär Bechtel eine Resolution mit auf den Weg zu geben, in der eine Beteiligung am Aufschwung durch vorziehen der Tariferhöhung ebenso nachdrücklich gefordert wird, wie die Bekämpfung der prekären Beschäftigung und Zukunftsperspektiven für junge Menschen. Verpflichten sich die betrieblichen Funktionsträger in diesem Appell an ihre Bezirksleitung, alle ihnen vor Ort und im Betrieb zur Verfügung stehenden Mittel dafür auszuschöpfen, erwarten sie von ihrer Gewerkschaft die Protestaktionen des Herbstes weiterzuführen, zu koordinieren und zu forcieren. In einer engagierten Diskussion wurde weiterer Widerstand formuliert gegen eine unsoziale Regierungspolitik. Mit einer hohen Beteiligung an zahlreichen innerbetrieblichen Einzelaktionen bis hin zu öffentlichen Protestaktion vor den Betriebstoren hatten auch die Beschäftigten unseres Raumes ihren Unmut über die Gesundheitsreform, Hartz IV, Rente mit 67, Leiharbeit und Bildungsmisere zum Ausdruck gebracht. Allein in Tauberbischofsheim wurden über 4000 Postkarten aus den Betrieben an die Bundesregierung gebündelt. Über 700 Menschen hatten sich am 13.11. auf den Weg zur zentralen Kundgebung der IG Metall nach Stuttgart gemacht. Dass sich dann aber weder in Stuttgart noch in Berlin irgendein verantwortlicher Politiker bereit fand, diesen Protest anzunehmen und Stellung zu beziehen, dass man von der Demonstration von 100 000 Arbeitnehmern bundesweit in der Öffentlichkeit kaum Notiz nahm, wurde in den Redebeiträgen dieses Abends als pure "Arroganz der Macht" gewertet. "Müssen auch bei uns erst Autos brennen wie in Frankreich, bevor man uns zur Kenntnis nimmt?" so ein Betriebsrat . Es war keine Resignation, was da durchklangt - eher Wut und Verachtung. Nahtlos reihen sich die Gewerkschafter wohl in den Kreis der Bürger ein, die sich mit ihren Anliegen von der Politik ignoriert fühlen, die Lobbymacht auf politische Entscheidungen als einflussreicher regisstrieren als Bürgerinteressen. Für die sonst so als diszipliniert geltenden Metaller in Tauberbischofsheim zu mindestens waren das ernste und harsche Töne - versöhnliche Adventsstimmung geht anders. Die an diesem Abend verteilten roten Christbaumkugeln mit dem IGM-Emblem sollten da nicht täuschen. Ein erfreulicher Ausklang war dann doch noch die Auszeichnung einzelner Delegierter, die sich um besonders gute Mitgliederwerbung in den Betrieben verdient gemacht hatten. Ein Wanderpokal ging in diesem Jahr zu den Beschäftigten der Buchener Firma Scheuermann & Heilig für ihre erfolgreiche Überzeugungsarbeit in ihrer aktuellen Auseinandersetzung um einen Tarifvertrag. Platz 2 belegten die Metaller der Fa. Reum in Hardheim. Besonders punkten konnte die Gewerkschaft auch bei den Beschäftigten der Fa. MBW in Wertheim, bei der Fa. Braun in Walldürn und bei der Fa. Eirich in Hartheim. Auszeichnungen gingen weiter zu den Firmen Weinig /Tauberbischofsheim, Lauda / Lauda, Magna / Assamstadt,Franke bremer / Grünsfeld und nach Osterburken zur Fa. Bleichert. Die Bevollmächtigten und der Vertreter der Bezirksleitung dankten ihren Kolleginnen und Kollegen für Ihr ehrenamtliches Engagement.

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Letzte Änderung: 15.12.2010