DGB-Kundgebung zum 01. Mai

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08.05.2019 Rund 200 Teilnehmer kamen auf den Tauberbischofsheimer Markplatz

"Europa, jetzt aber richtig." Dieser Leitgedanke stand über der DGB-Kundgebung zum 1. Mai, die erstmals auf dem Tauberbischofsheimer Marktplatz stattfand.

Tauberbischofsheim. "Heute ist unser Tag. Gut, dass Ihr alle da seid", betonte DGB-Regionssekretärin Silke Ortwein zu Beginn der Kundgebung. Nachdem "Andi und Jo" musikalisch auf die Veranstaltung eingestimmt hatten, begrüßte Ortwein rund 200 Besucher auf dem altehrwürdigen Platz der Kreisstadt. Der 1. Mai sei dem Bekenntnis zur sozialen Gerechtigkeit, zu Frieden und Freiheit gewidmet.

"Ich glaube, das ist wichtiger denn je." In einer Zeit, in der Rechtspopulismus, Intoleranz, Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit überall in Europa immer stärker würden, müsse man wachsam sein. "All das hat bei uns nämlich keinen Platz", so Ortwein.

Tauberbischofsheims Bürgermeister Wolfgang Vockel freute sich in seinem Grußwort, dass die Kundgebung erstmals in der "Hauptstadt des Kreises" stattfinde. Er unterstrich die Bedeutung des 1. Mai als internationalen Tag der Arbeit und der Arbeitnehmer. Den Finger in die Wunden sozialer und politischer Themen zu legen, sei wichtig und richtig. "Es gilt, die fundamentalen Werte unserer Gesellschaft - Gerechtigkeit, Frieden, Freiheit und Demokratie - in den Fokus zu rücken." Die Gewerkschaften seien wichtig für die Gesellschaft und Teil des Erfolgsmodells der sozialen Marktwirtschaft.

Die Mai-Rede hielt in diesem Jahr erstmals DGB-Kreisvorsitzende Sylke Fischer. 2018 sei ein gutes Jahr für die Arbeitnehmer in Deutschland gewesen. Durch Tarifabschlüsse, die die Gewerkschaften erkämpft hätten, seien die Löhne durchschnittlich um drei Prozent gestiegen. "Wir haben bewiesen, was wir als starke Gewerkschaften für unsere Beschäftigten alles erreichen können", betonte Fischer und zählte eine Reihe weiterer Erfolge auf, die man im vergangenen Jahr erzielt habe. Klare Worte fand sie darüber hinaus zu Themen wie Grundrente und gesetzlichem Mindestlohn. Es gehe darum, Existenzen zu sichern und Armut zu verhindern. Oberste Priorität bleibe für den DGB aber die Stärkung der Tarifbindung. "Sie ist nicht nur ein Garant für Fairness auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch für den gesellschaftlichen Zusammenhalt", so Fischer.

Mit Blick auf die anstehende Europawahl machte sie klar: "Diese Wahl betrifft uns alle. Wenn es die Europäische Union nicht gäbe, müsste man sie erfinden. Seit mehr als 70 Jahren herrscht Frieden in Europa, länger als je zuvor. Und Europa ist die Antwort auf viele Herausforderungen der heutigen Zeit: Globalisierung, Klimawandel und Digitalisierung machen an keiner Staatsgrenze halt." Wirtschaftlich profitiere Deutschland enorm von der EU. Umso wichtiger sei es, sich für faire Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt einzusetzen, auch für Arbeitnehmer, die aus dem Ausland nach Deutschland kommen. Fischer: "Nur wenn es gelingt, das Prinzip, gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort" durchzusetzen, kann ein Unterbietungswettbewerb auf dem Arbeitsmarkt verhindert werden."

Aber: Die EU sei in keiner guten Verfassung. Die europäische Wirtschaft sei durch ihre Sparpolitik, den Abbau sozialstaatlicher Leistungen und Lohnkürzungen geprägt. In der Realität würden die sozialen Grundrechte verletzt. Ein Viertel der EU-Bürger sei von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Und der deutsche Arbeitsmarkt habe den zweitgrößten Niedriglohnsektor in Europa. "Das gefährdet den Zusammenhalt und das Vertrauen. Rechtspopulistische und nationalistische Kräfte erhalten Zulauf. Nicht zuletzt der Brexit zeigt, dass Europa keine Selbstverständlichkeit ist."

Die sozialen Rechte der Menschen müssten EU-weit wieder gestärkt werden, nachdem sie durch den extrem harten Sparkurs in vielen Ländern großen Schaden genommen hätten. "Die Schulden der Banken auf die Schwächsten abzuwälzen und Jobs, Löhne und Renten zu kürzen: Damit muss Schluss sein", mahnte Fischer unter großem Beifall. Und weiter: "Wir wollen Europa, aber wir wollen es richtig machen. Wir kämpfen für ein soziales, solidarisches und gerechtes Europa."

All das gehe aber nur, wenn man verhindere, dass Anti-Europäer und Rechtspopulisten im EU-Parlament das Sagen haben. Deshalb sei es so wichtig, zur Wahl zu gehen und mit seiner Stimme die europäische Demokratie zu stärken. Gleiches gelte auch mit Blick auf das Thema Rüstung. Eine europäische Armee dürfe nicht zu einer Re-Militarisierung führen.

Einen weiteren Schwerpunkt ihrer Rede legte Sylke Fischer auf das Thema Arbeitnehmerrechte: "Menschen sind wichtiger als Märkte." Das hohe Gut der Arbeitnehmer-Mitbestimmung in Betriebsräten werde immer häufiger mit Füßen getreten. Schlupflöcher gebe es genug. Gleichzeitig sei die Tarifbindung in den letzten Jahrzehnten dramatisch gesunken. "Diese Tarifflucht ist unerträglich und unterhöhlt das Sozialstaatsprinzip." Es müsse etwas passieren. "Politik und Arbeitgeber müssen handeln. Sonst droht eine Spaltung der Gesellschaft. Wir wollen, dass es gerecht zugeht - für alle. Dazu brauchen wir auch in Zukunft eine innovative Industrie und gute Arbeit", so Fischer abschließend.

© Fränkische Nachrichten, Donnerstag, 02.05.2019

Letzte Änderung: 08.05.2019